Wien’s Kaffeehauskultur hat eine lange Tradition. Vor mehr als 300 Jahren wurde das erste Kaffeehaus in Wien eröffnet. Heute sind Wien’s Traditionscafés Kult. Sie sind keine Kaffeehäuser, sondern Institutionen, die niemand in Wien missen möchte – weder die hier Lebenden noch die Besucher.
In den Jahren um 1900 trafen sich alle berühmten Literaten und Autoren in Wien’s Cafés, um sich mit Kollegen auszutauschen. Manche von ihnen haben sogar ihren Arbeitsplatz in ihr Lieblingscafé verlegt. Jedes hat seine eigene Historie und jedes hat viele Geschichten zu erzählen.
Aber was macht diese alten, traditionellen Cafés überhaupt so besonders?
Sie lassen dich für kurze Augenblicke durch die Zeit reisen. Du versinkst in den samtigen Sessels, hörst das angenehme Rascheln der Zeitungen und verfolgst die lebhaften Diskussionen der Einheimischen über ihre Stadt und das Leben von früher. Das prachtvolle, gleichzeitig abgenutzte Interieur und das gedimmte Licht schaffen eine einzigartige Atmosphäre wie im Wohnzimmer. Das Wiener Kaffeehaus ist ein Platz, wo du dich vom Getümmel auf den Straßen zurückziehen, stundenlang die Zeitungen lesen, deine sozialen Kontakte pflegen und einen köstlichen Kaffee mit einer deliziösen Torte genießen kannst.
In Wien bestellt man nicht einfach Kaffee. Nein. Hier ist dein Wiener Kaffee-pedia:
Mokka: Ein schwarzer Kaffee ohne Milch und Zucker.
Kleiner Brauner: Ein einfacher Mokka mit Milch oder Obers (Sahne). Die Milch bzw. Sahne wird extra serviert, sodass du deine Mischung selber dosieren kannst.
Großer Brauner: Ein doppelter Mokka mit Sahne.
Einspänner: Ein kleiner Mokka mit viel Sahne, serviert in einem Glas.
Fiaker: Ein großer Mokka mit viiiiiiiiiiel Zucker, serviert in einem Glas mit einem Stamperl Rum oder Sliwowitz (Fruchtbrandy)
Melange: Halb Kaffee, halb Milch.
Wiener Melange: Melange mit aufgeschäumter Milch.
Großer Schwarzer (oder großer Mokka): Doppelter Mokka
Kleiner Schwarzer (oder kleiner Mokka): Einfacher Mokka
Verlängerter: Ein einfacher Mokka mit der selben Menge an heißem Wasser, international auch bekannt als Americano.
Zu jedem Kaffee bekommst du ein Glas Wasser serviert, das dazu gedacht ist, deinen Gaumen zu spülen. Nach einer alten Habsburger Etikette wird der Löffel nach unten schauend auf das Glas gelegt, um zu zeigen, dass das Wasser frisch aufgefüllt wurde. Eine andere Theorie besagt, dass das Glas Wasser ursprünglich dazugegeben wurde, um den benutzten Löffel zu säubern. Ein schmutziger Löffel neben der feudalen Kaffeetasse kam gar nicht gut.
Jetzt, wo du weißt, wie du Kaffee bestellst, kannst du die verschiedenen Sorten in diesen traditionellen Kaffeehäusern ausprobieren. Sie befinden sich alle in fußläufiger Entfernung im ersten Wiener Bezirk:
1 – Café Central
Herrengasse 14
Das im Jahr 1876 eröffnete Café Central war Treffpunkt von Sigmund Freud, Stefan Zweig, Peter Altenberg und Adolf Loos. Namhafte Autoren, Architekten, Revolutionäre und Denker trafen sich auf einen Kaffee, eine Zigarette oder eine Partie Schach. Peter Altenberg hat seine Postadresse auf das Café Central ändern lassen, er hat sich sogar seine Wäsche hinschicken lassen. Gerüchten zufolge schuldet er immer noch einen Teil seiner Zeche…
Heute ist das Café Central beinahe ein Wahrzeichen in der Wiener Kaffeehauskultur. Die Kombination aus faszinierender Architektur mit der großen Vielfalt an Gerichten und Torten ist einzigartig. Wenn du vor der Kuchenvitrine stehst, wirst du eventuell eine Weile brauchen, um dich entscheiden zu können. Ich habe mich für den „Schokozauber“ entschieden – ein wahres Gedicht für Naschkatzen. Das Service im Central ist exzellent, die Kellner freundlich und charmant. Die hektischste Zeit ist übrigens so gegen 17.00 Uhr, wenn der Pianospieler mit seinem Spiel beginnt. Es kann sogar gut sein, dass du vor der Türe warten musst, bis du einen Platz bekommst. Aber ich verspreche dir, das Warten lohnt sich.
2 – Café Demel
Kohlmarkt 14
1888 eröffneten die Demel Brüder ihre k.u.k. (königlich-kaiserliche) Konditorei an der heutigen Adresse am noblen Wiener Kohlmarkt als Treffpunkt der Aristokraten und Bourgeois. Heute findest du im Demel einen entzückenden Shop, in dem du süße Souvenirs mit Tradition für deine Liebsten zuhause einkaufen kannst. Im hinteren Teil des Cafés befindet sich die Backstube, wo du durch eine Glastür den Konditoren bei der Kreation ihrer Kunstwerke zusehen kannst. Selbstverständlich hat das Demel genügend Plätze zum Hinsetzen, um ein Stück aus der eigenen Konditorei gleich vor Ort zu genießen. Im ersten Stock hast du übrigens einen schönen Blick auf den Kohlmarkt.
3 – Café Leopold Hawelka
Dorotheergasse 6
Wie durch ein Wunder blieb das Café während des Zweiten Weltkrieges unversehrt und so eröffnete Herr Hawelka nach seiner Rückkehr nach Wien mit seiner Frau Josefine die Pforten. Junge Künstler, Autoren und Intellektuelle entdecken das Hawelka für sich und machten es zu ihrem Treffpunkt. Politiker und Journalisten aus aller Welt kamen ins Hawelka, um die neuesten Trends zu diskutieren. Du kannst nicht nur die einzigartige, teilweise skurrile Atmosphäre aufsaugen, sondern dabei Kaffee aus der hauseigenen Rösterei genießen. Der laute und manchmal etwas barsche Ton der Kellner gehört übrigens im Hawelka dazu. Nimm es nicht persönlich.
4 – Kleines Café
Franziskaner Platz 3
Good things come in small packages. Dieses englische Sprichwort trifft die Beschreibung des bezaubernden Kleinen Cafés am malerischen Franziskanerplatz am besten. Das Kleine Café ist zwar noch nicht so alt, aber die Geschichten, die es zu erzählen hat, stehen den anderen Kaffeehäusern in Nichts hinterher. Hanno Pöschl, ein waschechter Wiener Gastronom und Schauspieler, der in zahlreichen Filmen, Serien und Theaterstücken mitspielte, eröffnete das Kleine Café 1976. Es ist Filmschauplatz einer Szene in „Before Sunrise“ mit Ethan Hawke und Julie Delpy, Hanno Pöschl spielt den Ehemann des streitenden Paars zu Beginn des Filmes.
Ich hatte einen äußerst interessanten Nachmittag, als ich ins Kleine Café zum Fotografieren ging. Der berühmte Besitzer war gerade selber im Café und wollte mich nicht wieder gehen lassen, ohne mit ihm einen Mokka getrunken zu haben. Am Ende saß ich über drei Stunden dort und lauschte gebannt seinen Geschichten von seiner Entdeckung als Schauspieler, seinen Rollen in nationalen und internationalen Filmen und wie er das Kleine Café aufsperrte. Es ist ein Muss für jeden Wien Besucher. Probiere den Wiener Wurstsalat, ich finde, er ist einer der besten in der Stadt.
5 – Café Engländer
Postgasse 2
Das Café Engländer ist mehr als nur ein Kaffeehaus, nämlich eines der besten Gasthäuser Wiens. Es gibt einen ruhigeren hinteren Bereich im Lokal und einen geschäftigen Raucherbereich an der Bar, wo sich die lokale Prominenz auf ein Glas Wein trifft, Fußball schaut oder ihren lebhaften Diskussionen nachgeht. Im Engländer bekommst du ein herzhaftes Frühstück, ein Mittagsmenü oder ein sensationelles Abendessen. Außerdem lädt der Barbereich ein, noch ein paar Stunden zu verweilen. Ich kann mich übrigens nie zwischen Beef Tartare oder dem fantastischen Wiener Schnitzel entscheiden. Am liebsten habe ich beides…
6 – Café Diglas
Wollzeile 10
Seit 1875 ist das Café Diglas bekannt als eines der traditionellsten Kaffeehäuser Wiens. Sogar Kaiser Franz Joseph I stattete Herrn Diglas bei der Eröffnung eines seiner Restaurants einen Besuch ab. Der Komponist Franz Lehar oder der Poet Heimito von Doderer waren eine der bekannten Stammgäste im Diglas im ersten Bezirk. Das Interieur ist klassisch traditionell mit artistischen Schwarz-Weiß-Fotografien an den Wänden. Tägliche Klaviermusik ab 18.00 Uhr rundet den Kaffeehausbesuch im Diglas ab.
7 – Fenster Café
Fleischmarkt 9
Es ist keines der traditionellen Cafés in Wien, aber ich fand die Idee so originell und gut, dass ich entschieden habe, das Fenster Café in die Liste der Kaffee-Hot-Spots Wiens aufzunehmen. Third Wave Kaffee, Cornettoccino oder Macchiato werden durch ein Fenster in der malerischen Griechengasse verkauft. Du kannst einen Coffee-to-go bestellen oder einfach am Fenster stehen bleiben und dich mit dem Betreiber über guten Kaffee unterhalten. Täglich geöffnet von 9.00 bis 17.00 Uhr.
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